Vorzeitgräber
Vorzeitgräber in Drevenack
Viele Kubikmeter Sand und Kies wurden im Sommer 1959 in der Gegend von Drevenack benötigt, um den Damm und die Zufahrten zu der Autobahn aufzuschütten. So begann man auch den Hügel, der südlich der Kirche teilweise auf dem Grundstück des Amtsrentmeisters Bußmann sich erhebt, abzufahren. Er ist, wie die meisten seiner Art in dieser Gegend, vor vielen Jahrhunderten durch den Wind aus toten Rheinarmen oder von Ackerflächen zusammengetragen und zu einer Düne aufgeschüttet worden. Als der Bagger sich in die Tiefe gefressen hatte, stieß man unter der Krone eines breitästigen Kastanienbaumes auf alte Tonscherben. Da sie nach Resten von Gräbern aus der Vorzeit aussahen, wurde die Kreisverwaltung in Wesel benachrichtigt, die nun wieder eine Untersuchung durch die Außenstelle des Landesmuseums einleiten konnte. In der Erde, an einer Stelle aufgehäuft, fanden sich braune, roh gearbeitete Scherben eines Tongefäßes. Dazwischen lagen kleine kalkweiße Knochensplitter. Alles gehörte zu einem Grab, daß vor etwa 2600 Jahren hier in den Boden eingesenkt worden war. Die Knochensplitter waren der „Leichenbrand”, wie der Archäologe die verbrannten Gebeine des Toten nennt. Der Topf, der durch die Baggerarbeiter geborgen worden war, ließ sich später im Landesmuseum in Bonn zusammensetzen und ergab ein schlankes, aber roh geformtes Gefäß, wie es auch sonst auf den Friedhöfen dieser Zeit als Urne benutzt worden ist.
In der Wand der kleinen Sandgrube zeigte sich fast zwei Meter unter der Oberfläche ein kräftiges braunes Band. Dies war der alte Boden gewesen, ehe sich die Düne darüber geschoben hatte. Zumindest in der Mitte des letzten Jahrtausends vor Christi Geburt war es so. Damals hatte man gerade an dieser Stelle ein Loch etwa einen halben Meter eingegraben. Man konnte das Loch noch an seinem gemischten Boden gut erkennen. Dann war darin eine zweite Urne hineingesetzt worden. Über das Grab wurde aus dem Auswurf und vielleicht von anderer Stelle hergeschafftem Sand ein kleiner und sehr flacher Hügel aufgewölbt. Diese kleinen Grabhügel sind meist durch Wind und Wasseroder den Pflug wieder eingeebnet, hier war er aber durch die Düne gewissermaßen konserviert. Größere Hügel dieser Gräber kennen wir aus dem Kreise recht gut, besonders in dem großen Grabhügelfeld im Diersfordter Forst, das Professor Stampfuß erforscht hat. In den folgenden Tagen wurde die Baustelle durch die Außenstelle und den freiwilligen Mitarbeiter W. Boss, Wesel, weiter beobachtet. Bei Abschluß der Sandentnahme waren mit einem vorher völlig zerstörten Grab insgesamt sechs Bestattungen auf der kleinen Fläche zum Vorschein gekommen. Einmal zeigte sich noch ein kleiner Hügel über dem braunen Oberflächenband unter der Düne, während die anderen Gräber vielleicht ohne deckenden Hügel angelegt worden waren. Die Scherben zweier weiterer Urnen ließen sich ganz oder teilweise zusammensetzen, so daß sie uns eine Vorstellung von ihrer ehemaligen Gestalt geben können. Gegenüber der ersten mehr plumpen Form zeichnet sich ein anderes Gefäß durch bessere Technik und einen gefälligen Umriß aus. Es ist ein weitmündiger Topf oder eine hohe Schale. Griffleisten auf der Schulter des Gefäßes erleichtern die Handhabung, und ein lockeres Strickmuster bedeckt den unteren Teil, während man die Mündungszone sehr sauber geglättet hat. Auch diese Gefäßform ist aus Friedhöfen aus jener Zeit bekannt. So läßt sich der freigelegte Teil des Drevenacker Friedhofes, der mit den sechs Gräbern natürlich noch nicht erschöpft ist, gut in eine Zeit datieren, die der Forscher die jüngere Hallstattzeit nennt, und welche die Zeit von etwa 700—400 vor Christi Geburt ausfüllt.
Quellen: Dr. Hermann Hinz Heimatkalender 1960